Enzersdorfer Dramaturgie - 10. Stück, 29.Juni 2015

Gerald Szyszkowitz

 

ENZERSDORFER DRAMATURGIE vom 29. Juni 2015

 

10. Stück: 'DER VIERUNDZWANZIGSTE FEBRUAR'

 

Warum Zacharias Werner?


 

1 Eine Kurzbiographie


Friedrich Ludwig Zacharias Werner wurde 1768 in Königsberg geboren und starb 1823. Er war ein deutscher Dichter der Romantik und lebte die letzten Jahre in Wien und Maria Enzersdorf. Seit 1784 studierte er an der Universität Königsberg in Ostpreussen die Rechte und die Kameralwissenschaften, besuchte aber auch die Kollegien des Philosophen Immanuel Kant. 1793 wurde er Kammersekretär in Südpreussen und an verschiedenen anderen Orten in den neuen polnischen Provinzen, zuletzt in Warschau, wo er sich mit E.T.A. Hoffmann befreundete. Von dem berühmten E.T.A.Hoffmann existiert auch eine sehr schöne Zeichnung ´Zacharias Werner, aus seinem Drama vorlesend´.

In Warschau trat Zacharias Werner in eine Feimaurerloge ein, schrieb sein erstes Drama ´Die Söhne des Thals´, das von der Auflösung des Templerordens erzählt, und heiratete drei Mal, löste die erste und die zweite Ehe bereits bald wieder auf, und im Jahr 1807, da er schon fast vierzig ist, löst er auch seine dritte Ehe und geht nach Weimar, wo er sich mit Goethe befreundet, der im Januar 1808 nicht nur seine Tragödie ´Wanda´ uraufführt, sondern am 24. Februar 1809 auch den ´Vierzundzwanzigsten Februar´. Anschließend reist er nach Rom, wo er zum Katholizismus konvertiert. Er wird zum Priester geweiht und übersiedelt anschließend in die Kaiserstadt Wien. Während des Wiener Kongresses war Wien zum Zentrum der Romantik geworden, und Zacharias Werner wird nun zum

bedeutendsten Prediger. Hier befreundet er sich mit dem später heilig gesprochenen Clemens Mara Hofbauer und

wird ´Hofprediger´. Am Anfang der Zwanzigerjahre lädt ihn der im heutigen Romantikerhaus in der Liechtensteinstrasse wohnende Wiener Anwalt Dr. Wagner ein, die Sommer bei seiner Familie in Enzersdorf zu

verbringen, und Zacharias Werner nimmt die Einladung an. Nun schreibt er im Garten an der Liechtensteinstrasse - in dem es heute noch den Zacharias-Werner-Hügel gibt, seine Gedichte und Predigten. Und seine Briefe an den alten Goethe.

Am 17. Januar 1823 stirbt er und wird, seinem Wunsch gemäß, neben dem von ihm bewunderten Clemens Maria Hofbauer auf dem Romantikerfriedhof in Maria Enzersdorf beigesetzt.

Zacharias Werner war der einzige Dramatiker der romantischen Schule, der Bühnenerfolge errang. Er veröffentlichte vierzehn Theaterstücke, darunter auch eines über Martin Luther. „Kein anderer Dramatiker

brachte die mystischen Elemente und die Schicksalsidee so bühnenwirksam auf die Bretter des Theaters wie Zacharias Werne“, schreibt Gerhard Schulz in seinem Buch ´Romantik, Geschichte und Begriff´. „Alles, was Freund und Feind sich darunter vorstellen, schien sich in ihm zu vereinigen: christliche Frömmigkeit und Märtyrertod, heidnische Mythen und Riten, Liebe und Sexualität, Caritas und allerlei Geheimgesellschaften.“

 

2 Das Theatergeschichtliche Umfeld


In diesem Melodram zeigt Zacharias Werner bäuerliche Figuren als tragische Helden, und behandelt ausgerechnet mit ihnen das Hauptthema des neunzehnten Jahrhunderts: Das Trauma der verlorenen Autorität. Nach Auffassung der Monarchisten in allen Ländern wird Königsmord mit Vatermord gleichgesetzt. Das französische Volk hat mit dem Mord an seinem König - mit 361 zu 360 Stimmen wurde Ludwig der XVI von seinen Untertanen zum Tod verurteilt und am 21. Januar 1793 durch die Guillotine hingerichtet – den ganz großen Fluch auf sich geladen. Und auch Kunz Kuruth, die Hauptfigur des ´Vierundzwanzigsten Februar´ hat ja seinen Vater mit dem Tod bedroht und dadurch den ´ganz großen Fluch´ auf sich geladen. Zacharias Werner glaubt, dass der Verzicht auf die Gnade der Väter, also der ´verlorenen Autoritäten´ zur Folge hat, dass der Mensch nun den gnadenlosen Naturgesetzen ausgesetzt ist. Jetzt regiert nur noch der Instinkt.

Zacharias Werner beklagt mit diesem Melodram die ´Gewaltherrschaft der zügellosen Leidenschaft´, die nach der Französischen Revolution in Frankreich anstelle der angestrebten Freiheit herrscht. In diesem Zusammenhang ist es nicht verwunderlich, dass Zacharias Werner - auch ganz privat geschockt durch das blutige Chaos in Paris - erst nach Rom in den Dunstkreis des Papstes, und danach in den Dunstkreis des Kaisers nach Wien geflüchtet ist, in den Dunstkreis der anderen konservativsten Vaterfigur Europas. Am Verlauf des Lebens des Dramatikers Zacharias Werner begreift man auch, warum hier in Maria Enzersdorf, wo am Anfang des 19. Jahrhunderts noch die Dichter Schlegel und Eichendorff zu Besuch gewesen sind, allmählich aus der literarischen Romantik die ´religiöse

Romantik´ geworden ist.

 

3 Die Handlung


Der ehemalige Soldat Kunz Kuruth lebt mit seiner Frau Trude in einem einsamen Passwirtshaus in der Schweiz. Er hat seinen Vater an einem 24 . Februar mit einem Messer bedroht, woraufhin der an einem Schlaganfall gestorben ist. Seither ereignen sich an diesem Tag stets neue Katastrophen. An dem 24 . Februar, den wir miterleben, hat der gänzlich heruntergekommene Kunz Kuruth nun einen Gerichtsbescheid bekommen, dass er wegen seiner Schulden mit seiner Frau in die Fronfeste gebracht werden soll. Er beschließt, sich auf dem Weg dorthin umzubringen. Plötzlich klopft ein Fremder ans Tor. Es ist der Sohn Kurt, der als Pflanzer in Amerika reich geworden ist, und der jetzt zurückgekommen ist, um zu sehen, ob sein Vater seinen Fluch zurückgenommen hat. Kurt hat als Kind seine Schwester – auch an einem vierundzwanzigsten Februar – getötet, und der Vater hatte ihn danach verflucht.

Voller Zuversicht, dass schließlich doch noch alles gut enden wird, legt Kurt sich schlafen. Um Mitternacht aber schleichen sich die Eltern in sein Zimmer und töten ihn, um an sein Geld zu kommen. Der ´Fluch´ scheint sich wieder zu erfüllen, aber sterbend gibt Kurt sich als Sohn zu erkennen, verzeiht seinen Eltern und löst so den ´ewigen Fluch´.

 

4 Und damit neben der Pflege der Tradition und der Heimatkunde auch etwas Gegenwärtiges passiert, bringen wir zwei Uraufführungen von zwei gegenwärtigen Autoren, nämlich von den beiden Schriftstellern Klaus Haberl und Herbert Eigner, die im Zacharias-Werner-Einakter den Vater und den Sohn Kuruth gelesen haben.