Gerald Szyszkowitz
ENZERSDORFER DRAMATURGIE vom 15. Juli 2014
7. Stück: ASYLWERBERSCHICKSALE IN ENZERSDORF
Meine Enkelin Carla hat im vergangenen Sommer Flüchtlingskindern in St. Gabriel Nachhilfeunterricht gegeben und hat uns, ihren
Großeltern, an einem schönen Augustsonntag beim Mittagessen davon erzählt.
Bei diesen Erzählungen fiel mir auf, wie wenig wir von diesen Menschen wissen, die auf Grund schrecklicher Erlebnisse zu uns
gekommen sind, und nun schon jahrelang hier im Kloster St Gabriel leben, ohne dass sie zum Beispiel, auch wenn sie wollten, irgendetwas hier arbeiten dürfen.
Sie müssen geduldig darauf warten, dass ihr Asylantrag behandelt wird. Und das dauert oft Jahre.
Da ich gerade an der Vorbereitung unserer SOMMER SPIELE SCHLOSS HUNYADI arbeitete, deren Grundidee es ist, dass jeder von uns
kreativ und innovativ sein soll, überlegte ich, dass es doch vernünftig wäre, wenn wir mit diesen Sommerspielen wenigstens Einige im Kloster St. Gabriel anregen könnten, dass sie uns etwas von
sich erzählen. Uns aufklären, was sie zu Hause erlebt haben und was sie hier erleben. Vielleicht würde es uns dadurch gelingen, wenigstens einige von ihnen für kurze Zeit aus ihrer
Klostereinsamkeit herauszuholen.
Die könnten, überlegte ich, uns doch ganz direkt erzählen, warum sie aus Tschetschenien weggegangen sind, sie könnten uns Szenen
vorspielen, wie sie zum Beispiel ihre Besuche beim Kinderarzt hier bei uns erleben. So könnten sie sich einerseits - wie im alten Jesuitentheater - selber zwingen, sich in einer fremden Umgebung
öffentlich auf eine Bühne zu stellen, und sich außerdem zwingen, sich täglich bei den Proben ihre deutschen Texte immer wieder genau zu wiederholen, um so die Sprache auch spielerisch leichter zu
erlernen.
Und wir? Wir könnten sie dann bei der Vorstellung unsere Anerkennung spüren lassen, und dadurch ihr Selbstvertrauen stärken. So
wie das meine Enkelin Carla aus eigenem Antrieb getan hat.