Uraufführung 5. November 2002
EINE BLASSBLAUE FRAUENSCHRIFT
von Milo Dor nach Franz Werfel
Leonidas Graser - Rudolf Melichar
Amelie Graser-Paradini - Elisabeth Augustin
Karl Friedmann - Gerhard Rühmkorf
Vera Wormser - Michaela Ehrenstein
Vinzenz Spittelberger - Christian Ghera
Jaroslav Skutecky - Michael Gert
Professor Schummerer - Josef Pechhacker
Regie und Bühne: Gerald Szyszkowitz
Assistenz: Peter Beil
Klavier: Christoph Rois
Kostüme: Gabi Weninger
Fotos: Rolf Bock
Aufführungsrechte: Thomas Sessler Verlag
Die Handlung spielt 1936 in Wien
HISTORISCHER HINTERGRUND
Das von Bundeskanzler Dollfuß (1932-34) angestrebte Ziel eines 'Ständestaates' wurde nie vollständig realisiert, es kam vielmehr zu einem verstärkten autoritären Kurs seiner Regierung, damit er
sich gegen die Mehrheit des Volkes behaupten konnte. Dazu kam, dass die illegalen Extremisten immer radikaler wurden. Bei einem gewaltsamen Versuch der Nationalsozialisten, die Macht an sich zu
reißen (Juliputsch 1934) wurde Dollfuß in seinem Amt ermordet.
Der bisherige Unterrichtsminister Kurt Schuschnigg setzte als neuer Bundeskanzler die Politik seines Vorgängers fort. Innenpolitische Differenzen mit dem Vizekanzler Starhemberg und anderen
führenden Heimwehrmännern, veranlassten Schuschnigg zu mehrmaliger Regierungsumbildung innerhalb von zwei Jahren. Die außenpolitische Anlehnung an das faschistische Italien, die schon Dollfuß und
dann Starhemberg verfolgt haben, verlor 1936 zunehmend an Bedeutung, da es zu einer neuen Annäherung Italien-Deutschland (Achse Berlin-Rom) kam.
Die Voraussetzung für dieses Zusammengehen war, dass ItalierrÖster-reich vorher fallen ließ und damit dem deutsch-nationalsozialistischen Einfluss auf Österreich freie Bahn machte.
Bereits im 'Juliabkommen' Österreichs mit Deutschland 1936 - in diesem Jahr spielt unser Stück - das in Form eines Nichteinmischungspaktes gekleidet war, wurde Schuschnigg gezwungen, Vertreter
der nationalen Opposition in die (nun zum vierten Mal umgebildete) Regierung aufzunehmen, verhaftete Nationalsozialisten zu amnestieren und Zugeständnisse bezüglich nationaler Vereinigungen
(Tarnorganisationen) zu machen.
Es war ein ungleicher Pakt, der ein machtloses Österreich der nationalsozialistischen Propaganda auslieferte und das eigentliche Ende der Unabhängigkeit Österreichs bedeutete.
DAS EHEPAAR MAHLER-WERFEL IN DER ÄRA SCHUSCHNIGG
Juli 1934
In einer Wiener Wochenzeitung begrüßte Franz Werfel den Amtsantritt Bundeskanzler Schuschniggs. Neben den Eigenschaften des Staatsmanns und Politikers umfasse seine Persönlichkeit 'drei edelste
menschliche Werte: Religiöse Tiefe, unbestechliche Geistigkeit, hohe musische Begabung und Bildung, eine Dreieinigkeit also, welches die gottgeschenkte Harmonie des österreichischen Wesens
ausmache ... Welch eine Schicksalsgunst und Schicksalshoffnung für Österreich, dass es am Rande des Abgrunds diese vornehme und feste Führerhand gefunden hat...!'
Alma Mahler-Werfels Feste in den marmorverkleideten Prunkräumen, im großen Garten der Hohe-Warte-Villa, fanden unterdessen in gewohnter Weise statt; bis zu zweihundert Gäste feierten hier nicht
selten bis zur Morgendämmerung ...
Seit Schuschniggs Berufung zum Bundeskanzler lud Alma immer zahlreicher auch Minister, hohe Staatsbeamte und Diplomaten ein, die sie mit den Vertretern des kulturellen Lebens bekannt machte -
das Ziel vor Augen, diese Querverbindungen mochten beiden Seiten von größtem Nutzen sein.
Schuschnigg selbst, der Werfels Werke überaus schätzte, nahm an diesen Abendgesellschaften oftmals teil - in der Hoffnung, Anna Mahler zu sehen, die er still verehrte.
Frühjahr 1937
Werfel erhielt auf Betreiben Schuschniggs das Österreichische Verdienstkreuz für Wissenschaft und Kunst Erster Klasse verliehen. Der Bundeskanzler besuchte seinen Poeta laureatus regelmäßig auf
der Hohen Warte, ließ sich von ihm Lyrisches vortragen, aber aucb Politisches besprach er zuweilen mit dem Freund, und Werfel und Anna bestätigten ihn wiederholt in seiner Haltung,
Hitler-Deutschland so weit wie möglich die Stirn zu bieten.
Über den Bürgerkrieg in Spanien kam es zwischen dem Ehepaar Werfel zu heftigen politischen Auseinandersetzungen, Werfel zog sich nach Zürich zu seiner Schwester zurück, und Alma beschloss, die
Hohe-Warte-Villa zu verkaufen. Mitte Juni 1937 veranstaltete sie im Garten eine Art Abschiedsfest, zu dem noch einmal die sogenannte Elite der Wiener Gesellschaft, Hochadel, Finanzbarone,
Politiker und Künstler geladen waren.
11. März 1938
Schuschnigg demissionierte und verkündete in seiner letzten Rundfunkansprache, er weiche der Gewalt.
Werfel schrieb in Capri in sein Tagebuch: 'Heute am Sonntag, dem 13. März, will mein Herz vor Leid fast brechen.'