Direktion Freie Bühne Wieden

Uraufführung 28. November 2001

SZYMANSKI oder Man kann das ganze Fernsehen umbringen, aber doch nicht seinen Chef
von Gerald Szyszkowitz

Theaterstück nach Motiven des Romans

Michaela Ehrenstein als
  Sie
  Momo Richter
  Theres Apfalter, Abgeordnete
  Die Witwe
  Marie Weinberger
  Ulli
     
Dieter Witting als
  Er
  Szymanski
  Stangeler
  Heiko Beck
  Der Abgeordnete
   
      
Regie und Bühne: Gerald Szyszkowitz
Assistenz: Peter Beil
Klavier: Franz Luttenberger, Peter Hofmann
Kostüme: Gabi Weninger
Fotos: Rolf Bock
 
Die Handlung spielt in Wien und am Grünen See



GERALD SZYSZKOWITZ
Anmerkungen zur Entstehungsgeschichte

Den ersten Einfall für die Szymanski-Geschichte hatte ich, nachdem ich das Buch 'Im Zeichen des Löwen' von Anne Holt aus der Hand gelegt hatte. In diesem Roman wird die norwegische Ministerpräsi­dentin Brigitte Volter an ihrem Schreibtisch erschossen aufgefunden. Niemand kann sich ihren Tod erklären. Es fehlt jedes Motiv, aber gerade deswegen entstehen politische und private Gerüchte ... Mich interessierte diese Ausgangssituation sofort. Allerdings wusste ich ebenso schnell, dass ich den österreichischen Bundeskanzler, sei­nen Alltag und seine Umgebung viel zu wenig kenne, um ähnlich kri­tische Beobachtungen rund um den Ballhausplatz aufschreiben zu können. Der öffentlich-rechtliche Komplex 'Fernsehen' wäre, dach­te ich, mir da schon vertrauter.

Ich habe allerdings gleich fiktive Funktionsträger gewählt. Also einen 'allmächtigen Fernsehdirektor' und einen 'Zentralen Chefredak­teur'. Beide Funktionen gibt es seit Jahren nicht mehr, beide klingen aber noch immer realistisch.

Dann hätte allerdings nichts Wienerisches mehr wienerisch bleiben dürfen. Durch den Kunstgriff aber, fiktive Funktionsträger in der mir am besten bekannten, realen Fernsehstation zu beschreiben, ging es aber: das'Cafe Dommayer' ist doch das 'Cafe Dommayer', das Burgtheater das Burgtheater, das Parlament das Parlament, der Kongress-Saal im Bundeskanzleramt der Kongress-Saal im Bundes­kanzleramt, und vor allem das 'Sokrates' auf der Wiedner Haupt­straße ist das 'Sokrates'. Mit den griechisch blauen Tischen und den Strohstühlen. Die - original aus Griechenland und aus dem Restaurant 'Sokrates" - ganz original auf unserer Bühne stehen.

Nach 'Mord vor der Klagemauer', 'Marianne Moritz oder Die Kunst des Vergessens in Alt Erlaa' und dem 'Thaya' ist 'Szymanski oder Man kann das ganz Fernsehen umbringen, aber doch nicht seinen Chef die vierte Bearbeitung eines eigenen Romans, die ich inner­halb von vierzehn Monaten auf eine Wiener Kleinbühne bringe. Ein großer Unterschied zu den drei anderen Uraufführungen ist aber, dass diesmal Roman und Theaterstück am selben Abend erschei­nen. Roman und Stück sind parallel entstanden. Das heißt, ich habe nicht nur Szenen aus dem Roman in das Stück eingearbeitet, son­dern zum ersten Mal auch Szenen aus dem Stück in den Roman. Den wichtigen Schluss-Monolog der Witwe gab es zum Beispiel zuerst im Stück, und erst danach hab ich ihn auch in den Roman übernommen ... Ich betone das deswegen, weil auch mir selbst von Inszenierung zu Inszenieruing die Unterschiede von Roman und Stück-Struktur immer klarer werden. Und ich mich auch immer be­wusster bemühe, sie herauszuarbeiten.

Ein wesentlicher Unterschied von Roman und Stück ist zum Bei­spiel: Ein Stück hat Rollen, die gespielt werden müssen, ein Roman nicht. Aber jeder Theaterautor kann nun wiederum mit seinen Rollen verschieden umgehen. 'Marianne Moritz' und 'Der Thaya' sind, was die Schauspieler und die Roilenbehandlung betrifft, ganz kon­ventionelle Stücke, 'Mord vor der Klagemauer' dagegen war ein Stück, in dem eine einzige Schauspielerin zwölf Rollen gespielt hat, und das neue Stück 'Szymanski' ist nun eine Mischung aus beiden Möglichkeiten. Nun spielen jeweils ein Schauspieler und eine Schauspielerin jeweils mehrere Rollen.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Roman und Theaterstück ist auch noch, dass normalerweise ein Theaterstück immer nur ein paar Motive oder Handlungsstränge des Romans vorzeigen kann. Da muss sich der Bearbeiter von Anfang an klar entscheiden, was er in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit erzählen will und kann. Und den Rest muss er konsequent weglassen. Was selbstverständlich immer ein literarischer Verlust ist. Dafür hilft ihm aber bei der* Aufführung der Erfindungsreichtum, der Charme und die Anmut sei­ner Schauspieler und Schauspielerinnen.

Für unsere Bühnen-Version habe ich mich vor allem auf die privaten Szenen beschränkt. Denn die Grundidee dieses Theaterabends war unter anderem auch: ich wollte für eine spezielle Schauspielerin und einen speziellen Schauspieler mehrere Szenen schreiben, in denen die beiden unterschiedliche Charaktere zeigen können. Ferne for­male Vorbilder dieser Dialoge des ehemaligen Krimi-Redakteurs Szymanski, gespielt von Burgschauspieler Dieter Witting, mit der Witwe, der Geliebten und der Tochter - gespielt von Michaela Ehren­stein - des ihm aus früheren Zeiten her gut bekannten Ermordeten, sind die Dialoge der 'Flüchtlingsgespräche' von Brecht und der 'Anatol'-Dialoge von Schnitzler.

Das Bühnenbild wird wieder der weiße Raum mit dem Theater-Lich-terkranz sein, aber alles, was die Schauspieler berühren, soll so rea­listisch wie möglich sein. Die Möbel, die Requisiten, die Kostüme etc.

Franz Luttenberger und Peter Hofmann werden die Musik machen. Ausgehend von einem Barrelhouse-Jazz-Sound, wie man Ihn in Wien an jedem Abend irgendwo in einer Bar oder im Tabakmuseum hören kann, werden sie bei uns allerdings immer wieder Melodien einflechten, die die verschiedenen Szenen kommentieren: Die Eurovisionsmelodie wird man durchhören, wenn eine Szene im Fernsehgebäude spielt, die Bundeshymne, wenn er den Bundes­kanzler ankündigt, eine Mozart-Paraphrase, wenn der Kongress-Saal des Ballhausplatzes mitspielt, und wenn es um den endgülti­gen Abschied des Liebespaares geht, wird im New-Orleans-Sound ein Willi Forst-Ton mitklingen, wie auch, wenn eine Szene auf der Wieden spielt das alte Wienerlied 'Ich weiß auf der Wieden' ...