Unerhörte Hypotehesen, kostümiert als spannender Roman
Haben weder Shakespeare noch Shakspere den „Hamlet“ geschrieben?
Das ist Theater! Angesiedelt zwischen Traum und Wirklichkeit. Tragische Leidenschaften, denen
der Tod näher steht als das Überleben, stets aber hart an der Grenze zur
Komödie und zum Lachen, das die Zuschauer über die Verunsicherung ihrer
Wahrnehmungen hinwegträgt. Es wäre kein Drama ohne einen verzweifelten König Lear, aber genauso wenig ohne seinen weisen Narren, ohne die vielen anderen tragischen Gestalten, die erst durch die zur Seite gestellten heiteren Figuren ihre Größe gewinnen. Sie alle sind Geschöpfe einer Phantasiewelt, die zwischen Heben und Fallen des Vorhangs Realität erschaffen, dank der Kunst von
Schauspielern und Bühnenautoren, die ihr Leben diesem Spiel der Illusionen
verschrieben haben.
Der Größte, schlechthin das Genie dieses Genres ist zweifellos(?) William Shakespeare. Als Schüler hatte man sich seine Lebensdaten auswendig zu merken und zumindest über eines der großen Dramen ein Referat zu halten.
Bereits damals, also vor etlichen Jahrzehnten, wurde im
Unterricht gemunkelt, dass Shakespeare nicht Shakespeare, sondern ein Mann
gleichen Namens gewesen sein könnte. Es war natürlich witzig gemeint, hatte
aber wie jeder Witz offensichtlich einen wahren Kern. Man braucht dazu nur den
Ausführungen von Gerald Szyszkowitz zu folgen. Er ist diesem Gerücht
nachgegangen, hat penibel recherchiert und seine für jeden Shakespeare-Verehrer
unerhörten Erkenntnisse publiziert. Das Ergebnis ist allerdings nicht, wie
vielleicht erwartet, eine angreifbare wissenschaftliche Abhandlung. Vielmehr
wurde es, wie es sich für einen Theatermann wie Szyszkowitz geziemt, gekonnt
belletristisch geschminkt und kostümiert, bevor es unter dem Titel „Das falsche
Gesicht“ als spannend zu lesender Roman auf dem Buchmarkt auftreten durfte
(Edition Roesner, 2015).
Szyszkowitz führt seine Leser in die Zeit von Elisabeth I., der „jungfräulichen“ Königin. Sein Held ist Christopher Marlowe, ein Mann mit hellem Geist und enormem Talent zur Dichtung. Marlowe wurde 1564 in Canterbury geboren und starb laut offiziellen Angaben1593 aufgrund bis heute umstrittener Ursachen. Ist Marlowe damals tatsächlich ums Leben gekommen? Wenn nicht, hat er, nachdem er umständehalber offiziell für tot erklärt worden war, unter dem Namen William Shakespeare weiter geschrieben?Szyszkowitz hat sich diesbezüglich auf viele Seiten hin abgesichert, wenn er mit Überzeugung und Mut die Meinung vertritt, dass William Shakespeare, oder Shakspere, wie sein Strohmann mit bürgerlichem Namen geheißen hat, in Wirklichkeit Christopher Marlowe selber war, der den „Hamlet“ und alle die anderen Werke eines der bedeutendsten Dichter der Literaturgeschichte verfasst hat.