Shakespeare ein Ghostwriter?
Romane, die im Literaturmilieu angesiedelt sind, vor allem solche deren zentrale Handlung durch eine konspirative Theorie in Szene gesetzt ist, garantieren meist ein besonderes Leseerlebnis. So auch Gerald Szyszkowitz‘ Roman „Das falsche Gesicht oder Marlowe ist Shakespeare“.
Schon im Titel des Romans klingtdie Vermutung an, dass es nicht Shakespeare war, der so bekannte Komödien wie „Viel Lärm um nichts“ oder Tragödien, so z.B. „König Lear“ geschrieben hat, sondern der Dramatiker Christopher Marlowe. Dieser galt tatsächlich als einer der größten Konkurrenten des Dichters aus Stratford, war aber dann aufgrund pamphletischer Äußerungen und Freidenkertum am Hof Elisabeths I. in Ungnade gefallen und mit Hinrichtung bedroht.
Seine einflussreichen Freunde haben Angst, dass er unter Folter einige von ihnen verraten könnte. Bevor er deshalb seinen Tod vortäuscht und nach Frankreich flieht, findet er in William Shakespeare einen Ghostwriter, unter dessen Namen er weiter schreiben will. In feiner literarischer Sprache gibt Szyszkowitz den fiktiven Dialog zwischen den beiden wieder. „Wie, morgen bist du schon tot? … „Dann kannst du doch keine Stücke mehr schreiben. Also das täte mir noch mehr leid als …“. „Mir auch. ... Das Einzige, was ich kann, soll ich jetzt nicht mehr machen.“ „Das geht wirklich nicht.“ „Außer du schreibst sie.“ „Ich kann nicht schreiben. … „Na gut, dann schick ich dir meine Stücke aus Calais durch einen Boten, … und dann führst du meine Stücke auf als richtige Shakespeare-Stücke.“
Gerald Szyszkowitz‘ Roman umfasst leider nur knapp 170 Seiten. Es sind Seiten, die mit prallen Szenen aus der elisabethanischen Zeit gefüllt sind, teils als Fakten, teils als Fiktion dargestellt. Die Grenze zwischen den beiden verläuft oft fließend. Auch die auftretenden Charaktere werden in diesen literaturgeschichtlich neu erfundenen Raum gestellt, wenngleich sie ihre typischen, realen Charakterzüge behalten: die kalkweiß geschminkte Königin Elisabeth, die zu temperamentvollen Wutausbrüchen neigt, der redegewandte und schmeichlerische Liebhaber Lord Essex oder der bedachtsame Geheimdienstchef Lord Cecil. Nicht zu vergessen der Autor und Philosoph Ben Jonson, jener Mann, der eine Widmung zum First Folio Band von Shakespeare schreiben soll. Doch welches Bild Shakespeares soll auf die erste Seite des Folios?
„Wir zeigen bewusst und absichtlich eine fingierte Persönlichkeit, und das verrückte dabei ist, alle Käufer werden überaus zufrieden sein, denn jetzt haben sie alle zu den berühmten Stücken endlich …“ „… das falsche Gesicht“.
Ein, einem William Shakespeare – oder doch Christopher Marlowe ? – würdiger Roman neu geschriebener Literaturgeschichte.
Lieselotte Stalzer